Vor 99 Jahren sind die Menschen in der Schweiz auf die Strasse gegangen. Sie haben damals die Grundlagen für das gesetzt, was als die grösste Errungenschaft der Schweizer Linken in die Geschichte eingehen sollte. Bis ihr Kampf für eine solidarische Altersvorsorge vollendet und die AHV endgültig eingeführt wurde, sollte es dann bis ins Jahr 1947 dauern. Unter sozialdemokratischer Führung wurde die Altersvorsorge in den darauffolgenden Jahren ausgebaut und gegen die Angriffe von den Rechten verteidigt.
Nun steht die AHV massiv unter Druck. Dies nicht zuletzt deshalb, weil die Rentenfrage von den bürgerlichen Medien bewusst als ökonomische statt als politische Frage behandelt wird. Grosse Teile der Linken scheinen vergessen zu haben, dass es eine Frage des politischen Willens ist, ob nun genügend Geld für die Menschen, die Jahrzehntelang gekrüppelt haben, da ist oder nicht. Auch wird nicht beachtet, dass die Produktivität gestiegen ist und immer wie mehr Geld erwirtschaftet wird. Doch die Lohnabhängigen haben vom grösser werdenden Kuchen nicht viel abbekommen.
Die JUSO hat das nicht vergessen. Sie hat nicht vergessen, dass die Reichsten in der Schweiz immer reicher werden. Sie hat nicht vergessen, dass die Unternehmen immer mehr Geld absahnen und es in Form von Dividenden oder Boni an die Superreichen verteilt wird. Gleichzeitig steigt die Altersarmut, sowie die Zahl der Working Poors. Und die JUSO hat auch nicht vergessen, dass die AHV erkämpft wurde, ohne dass es eine sozialdemokratische Mehrheit in Parlament oder Regierung gegeben hätte. Es war ein Kampf auf der Strasse – und an diesen Kampf und diese Macht der Bewegung glauben wir noch immer.
Wir sind bereit, weiter und wieder dafür zu kämpfen – ungeachtet der politischen Mehrheiten im Parlament. Wir sind bereit, für die grösste Errungenschaft der Linken auf die Strasse zu gehen und für eine Verbesserung der Situation der Lohnabhängigen einzustehen.
Die Altersreform 2020 ist hingegen keine Verbesserung der Situation der Arbeiter*innen und bedeutet auch keinen Erhalt der Renten. Die Reform hat einen Rentenabbau zur Folge. Und sie scheint abgekoppelt von allen gesellschaftlichen Entwicklungen stattzufinden, wie die Erhöhung des Rentenalters für Frauen* zeigt. Diese Erhöhung im Namen der Gleichstellung ist ein Schlag ins Gesicht der Frauen*, die nach wie vor weniger verdienen und den Grossteil der unbezahlten Arbeit leisten. In Zeiten der Digitalisierung und der steigenden Arbeitslosigkeit vor allem auch in der Ü50-Generation ist die Forderung nach einer Arbeitszeitverlängerung für 50% der Bevölkerung – denn eine Rentenaltererhöhung ist nichts anderes als das – inkohärent und kurzsichtig.
Eine Senkung des Umwandlungssatzes bei gleichzeitig steigenden Beiträgen in der 2. Säule ist eine Frechheit für alle Arbeiter*innen, die schlussendlich für die Gewinne ebendieser spekulativen Pensionskassen einbezahlen sollen. Und dies obwohl die Pensionskassen seit Jahren in der Krise sind und sich als völlig unzulänglich bewiesen haben, um unser Rentenniveau zu halten.
Die «Erhöhung» der AHV-Maximalrente soll alles wieder geradebiegen und ausreichen, um die Linke zum Schweigen zu bringen. 70 Franken sollen hinhalten für die Senkung des Umwandlungssatzes in der Pensionskasse sowie für die Erhöhung der Mehrwertsteuer. Dass diese 70 Franken zustande kommen, indem die Arbeiter*innen 0,3% mehr AHV auf ihren Lohn einbezahlen, wird eben so wenig in der Diskussion thematisiert wie der Fakt, dass wir alle deutlich mehr in die 2. Säule einbezahlen sollen. So sind Löhne schon ab einem tieferen Einkommen von rund 14’000.– CHF versichert und die 34- bis 54-Jährigen zahlen 1% mehr in die Pensionskassen – obwohl der Umwandlungssatz sinkt.
Die vorliegende Reform genügt nicht. Inwiefern diese Reform sogar eine Stärkung der AHV darstellen soll, erschliesst sich der JUSO zudem vollends nicht. Die Rentenreform 2020 ist nicht das Resultat eines Kompromisses, sondern das Resultat bürgerlicher Erpressung. Deshalb stimmen wir am 24. September NEIN zur AV2020!