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Gastbeitrag

Wir sind die 99 Prozent

Erschienen im links im Dezember 2017

Es gibt Menschen, die für ihr Geld arbeiten. Und dann gibt es Menschen, die andere dafür arbeiten lassen – einfach weil sie bereits Geld haben. Letztere will die 99%-Initiative zur Kasse bitten.

Der Wohlstand der Schweiz beruht auf der bezahlten und unbezahlten Arbeit von Millionen Menschen. Gemeinsam sorgen wir dafür, dass Betagte betreut und Kinder grossgezogen werden, dass Schokolade produziert wird und Züge pünktlich abfahren. Doch die Früchte dieser Arbeit werden unglaublich ungleich verteilt.

So gibt es zum Beispiel für viele Angestellte 2018 erneut eine Nullrunde bei den Löhnen und dies, obwohl es unserer Wirtschaft eigentlich gut geht und wir immer wie produktiver werden.

Gleichzeitig sind die 300 reichsten Menschen in diesem Land 2017 um 60 Milliarden reicher geworden. 60 Milliarden – das ist beinahe so viel wie das Bundesbudget. Und dies in Zeiten, in denen im Kanton Luzern Menschen, die an der Armutsgrenze leben, die Prämienverbilligungen zurückzahlen müssen. In Zeiten, in denen Fächer dezimiert, Lehrerinnen und Lehrer entlassen und Schulen geschlossen werden. In Zeiten, in denen das Gesundheitswesen unter dem Spardiktat der Bürgerlichen zusammenzubrechen droht. In Zeiten, in denen wir uns nun seit Jahren über eine minime Erhöhung der AHV die Köpfe einschlagen.

Keine echte Demokratie

Die Reichen immer reicher – die Armen immer zahlreicher. Dies hat mit einer demokratischen, solidarischen Gesellschaft herzlich wenig zu tun. Und dennoch ist der Widerstand gegen solche Entwicklungen verhältnismässig klein.

Doch wie könnte es anders sein in einer Gesellschaft, in der Kapital Macht bedeutet? Der Besitz von Kapital gibt Menschen Macht über andere Menschen. Wer Geld hat, wer Grossunternehmen und Boden besitzt, entscheidet. Er entscheidet, wer Jobs bekommt und wer nicht. Er entscheidet, zu welchen Bedingungen diese Jobs vergeben werden, wie hoch der Lohn ist. Ob diese Jobs hier angeboten werden oder in China. Er entscheidet, wie hoch die Mieten sind in den Wohnungen, die auf seinem Boden gebaut wurden. In einem solchen System kann es keine Demokratie geben. In einem solchen System kann es auch keine echte Freiheit geben, denn wer kann unter solchen Umständen auch wirklich frei entscheiden?

Das System ändern

Dieses System gilt es zu ändern. Wir müssen aus der Geiselhaft des Kapitals ausbrechen. Die Frage ist nur: Wie? Ich bin überzeugt, dass wir die Umstände klar benennen müssen. Wir müssen sagen, was ist, und wir müssen in die Offensive gehen.

Die 99%-Initiative macht einen Schritt genau in diese Richtung. Sie zieht die Konfliktlinien in der Gesellschaft dort, wo sie hingehören: nicht zwischen Menschen mit unterschiedlichem Pass, sondern zwischen oben und unten.

Denn sie macht klar: Es gibt Menschen, die für ihr Geld arbeiten. Und dann gibt es Menschen, die andere dafür arbeiten lassen. Einfach weil sie bereits Geld haben. Und Letztere werden steuerlich auch noch massiv entlastet.

Diesen Privilegien, die zum Teil mit der USR II eingeführt wurden, wollen wir ein Ende bereiten.

Kapitaleinkommen stärker besteuern

Die 99%-Initiative will das reichste Prozent in diesem Land, das Prozent, das reicher und reicher wird, ohne einen Finger zu krümmen, das von der Arbeit anderer lebt, zur Kasse bitten.

Und zwar wollen wir konkret, dass Kapitaleinkommen, also zum Beispiel Zinsen und Dividenden, ab einem Freibetrag von 100 000 Franken, anderthalb Mal so stark besteuert werden wie Arbeitseinkommen, also Lohn.

Wieso wollen wir das Kapitaleinkommen stärker besteuern? Weil Geld nicht vom Himmel fällt. Geld wird erarbeitet. Und zwar von Menschen, die Lohn beziehen. Dividenden sind nichts anderes als der Gewinnüberschuss einer beliebigen Dienstleistung oder eines beliebigen Produktes.

Wir sind die, die diese Umstände benennen müssen. Wir sind die, die diese Umstände ändern müssen. Wir können nicht mehr länger in der Defensive verharren. Wir müssen in die Offensive. Denn wir, wir sind nicht die Partei des Mittelstands. Wir sind die Partei der 99%. Wir sind die 99%.