Erschienen in der SonntagsZeitung vom 09.12.2018
Alle Jahre wieder präsentiert uns das Magazin «Bilanz» stolz das Ranking der 300 reichsten Schweizer. Golden eingefasst kommt das Ganze daher, wie ein schönes Geschenk. Ganz so, als hätten auch wir Normalsterblichen etwas davon, wenn die 300 Reichsten wieder 1’700’000’000 Franken mehr auf ihren Konten haben.
Nun könnte man sagen, dass es einem egal sein kann, wie viel Geld andere haben. Aber so funktioniert das leider nicht. Erstens kann es einem nicht egal sein, weil dieser Reichtum von uns allen gemeinsam erarbeitet, aber von ein paar wenigen verdient (abgezockt) wird. Zweitens, weil wir in einer Gesellschaft leben, in der Geld – genauer: Kapital – Macht bedeutet. Wer Geld hat, kann sich Zeitungen, TV-Sender, Plakate und somit Einfluss kaufen. Die Familie Blocher hat das hervorragend verstanden und geht munter auf Shoppingtour. Wer Geld hat, kann sich Boden kaufen und bestimmen, ob gebaut wird oder nicht, ob die Mieten steigen oder sinken. Wer Geld hat, besitzt Firmen und entscheidet, was mit den Menschen in diesen Firmen passiert. Wie viel sie verdienen. Und ob sie überhaupt noch Arbeit haben.
Es kann einem nicht egal sein, weil Geld auch in der Demokratie Macht bedeutet. Die Stimme reicher Menschen hat mehr Gewicht als die von einer Kassiererin, einem Lehrer, einer Krankenschwester. Wenn wir über eine Steuererhöhung für die Reichen diskutieren – drohen sie mit Wegzug. Die Bevölkerung kann nicht frei entscheiden, denn sie wird von den Reichen erpresst. Dass diese Erpressung funktioniert, erleben wir in jedem Abstimmungskampf, bei dem es um die Steuern für Superreiche oder Unternehmen geht.
Laut dem Verteilungsbericht des SGB 2018 sind seit 1984 die Steuern auf sehr hohe Löhne, sprich ab 1 Million Franken Einkommen pro Jahr, von rund 38 % auf rund 33 % gesunken. Im gleichen Zeitraum sind die Steuern für mittlere Einkommen, also rund 75’000 Franken Einkommen pro Jahr, praktisch gleich geblieben.
Wir Normalsterblichen müssen seit Jahren «den Gürtel enger schnallen». Die Prämienlast steigt stetig, der Service public wird abgebaut. Unsere Löhne steigen schon lange nicht mehr, und uns wird erzählt, es habe nicht genug Geld für die AHV. Doch nicht alle müssen den Gürtel enger schnallen. Das durchschnittliche Vermögen der Reichen ist seit 1989 dreimal stärker gewachsen als das Bruttoinlandprodukt der Schweiz. Besass das reichste Prozent der Schweizer Bevölkerung vor 10 Jahren 35 % aller Vermögen, sind es heute bereits 42 %. Tendenz nach wie vor steigend. Dies nicht zuletzt, weil die Dividenden nur zu 60 % besteuert werden – unsere Löhne aber zu 100 %.
Unser Wirtschaftssystem und unsere Politik orientieren sich an den Bedürfnissen des Geldes. Im Zentrum steht der Profit, und dieser wird optimiert, ohne Rücksicht auf Verluste. Ich kämpfe für ein System, das die Bedürfnisse der Menschen ins Zentrum stellt. Für bezahlbare Mieten, für gute Renten, für faire Löhne. Ein System, in dem wir arbeiten, um zu leben, und nicht leben, um zu arbeiten. Für Zukunft statt Abbau, für faire Löhne statt überrissene Gewinne, für Arbeitszeitverkürzung statt Burn-outs. Um das zu erreichen, müssen wir die Früchte der Arbeit, die wir leisten, gerecht verteilen. Die Demokratie darf nicht vor den Toren der Unternehmen haltmachen – die Büezer müssen mitentscheiden dürfen. Der Service public muss ausgeweitet werden: Wasser, Boden, Zeitungen sollen den Menschen gehören und nicht den Grosskonzernen. Keine Diktatur der Superreichen, sondern echte Demokratie.