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Kolumne

Und wer bezahlt? Nein bleibt nein!

Erschienen in der SonntagsZeitung vom 28.04.2019

Am 19. Mai stimmt die Schweiz über einen Kuhhandel ab. Namentlich über den sogenannten AHV-Steuerdeal (STAF). Wobei die Unternehmenssteuerreform (USR) IV im Wesentlichen der mit knapp 60 Prozent vom Volk abgelehnten USR III entspricht. Die grösste Änderung im Steuerteil nahm das Parlament im Namen vor: Aus der «Unternehmenssteuerreform» wurde die «AHV-Steuervorlage» (STAF). Die auch im Namen enthaltene Zusatzfinanzierung für die AHV ist zwar richtig, doch kann sie die Milliardenausfälle für Bund, Kantone und Gemeinden nicht kompensieren. Kommt hinzu, dass die Finanzierung der AHV ein verfassungsmässiger Auftrag an das Parlament ist – selbst Bürgerliche sprechen deshalb in den Medien davon, dass eine Zusatzfinanzierung für die AHV «sowieso nötig» sei.

Inhaltlich hat sich nämlich an der Kritik am ausbeuterischen Schweizer Steuerdumping im Interesse des reichsten Prozents nichts geändert: Statt alte Steuerprivilegien einfach abzuschaffen, schafft die STAF neue Steuergeschenke für Unternehmen und Grossaktionäre. So wird Grosskonzernen mit verschiedenen Steuertricks ermöglicht, bis zu 70 Prozent ihres Gewinns von den Steuern abzuziehen. Wann konnten Sie das das letzte Mal bei Ihrer eigenen Steuererklärung machen?

Und vor allem, wer zahlt die Ausfälle?

Bei den erwarteten Steuerausfällen von über zwei Milliarden Franken pro Jahr werden Bund, Kantone und Gemeinden weniger Geld für Prämienverbilligung, Kinderkrippen und Bildung zur Verfügung haben. Also bleiben zwei Möglichkeiten: Entweder man erhöht die Steuern bei den normalen Menschen – oder man baut ab beim Service public. Von diesen Abbaumassnahmen sind Frauen übrigens überproportional betroffen: Erstens arbeiten in diesen Bereichen mehrheitlich Frauen, womit sie direkt am stärksten von einem Leistungsabbau betroffen sind. Zusätzlich werden als Folge dieses Abbaus Teile der bezahlten Arbeit in die private Sphäre verlagert: Wenn es weniger Kinderkrippen-Plätze gibt, wird das Kind zu Hause oder von den Grosseltern gehütet. Diese unbezahlte Betreuungs- und Sorgearbeit wird ebenfalls ganz überwiegend von Frauen verrichtet.

Schliesslich ändert die STAF nichts am «blinden Fleck» der Schweizer Steuerpolitik: dem internationalen Steuerdumping. Mit den allgemeinen Gewinnsteuersenkungen wird dieses sogar noch verschärft: Die Schweiz verkauft sich zu einem Spottpreis den Grosskonzernen. Dadurch gehen im Ausland jährlich bis zu 36 (!) Milliarden Franken an Steuersubstrat verloren. So wird die Umverteilung vom globalen Süden in den Norden verstärkt – statt abgebaut. Dies fördert Armut, Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit. Kurz: Der (nationale und internationale) Steuerwettbewerb nützt nur einer reichen Elite und schadet den Menschen hier und anderswo massiv. Was die Schweiz braucht, ist endlich eine Politik im Interesse der 99 Prozent und nicht der Grosskonzerne und Grossaktionäre. Die 99-Prozent-Initiative der Juso Schweiz, die Kapitaleinkommen wie Zinsen und Dividenden wieder höher als Löhne besteuern will, ist dafür ein erster Schritt in die richtige Richtung. Die STAF dagegen ist ein Schritt in die falsche Richtung.

Denn am Schluss wird die Rechnung von den 99 Prozent der Menschen bezahlt – ob nun hier oder anderorts.