Erschienen in der SonntagsZeitung vom 01.09.2019
Gestern trat ich als Präsidentin der Juso Schweiz zurück. Wie soll man die drei aufregendsten, nervenaufreibendsten, besten, anstrengendsten und überwältigendsten Jahre seines Lebens zusammenfassen?
Nun, vielleicht muss man dazu einfach an den Anfang zurück. Vor acht Jahren trat ich der Juso bei, wie so viele aus Empörung. Mit der Wut im Bauch über die Entlassung meines Vaters, über den tiefen Lohn meiner Mutter, über unsere Sorgen, ob wir die Rechnungen am Monatsende bezahlen können. Ich bin beigetreten mit den Erlebnissen, die jede 21-jährige Frau durchmacht, mit der Angst, zu sein, wer ich wirklich bin. Ich bin aber auch mit dem sicheren Wissen gekommen, dass es so nicht weitergehen kann. Und mit dem Willen anzuprangern, zu bewegen, zu handeln. Zu ändern, was mich stört.
In der Juso habe ich schnell gelernt, dass meine Wut nicht auf einen Arbeitgeber, sondern auf ein System abzielt. Ich habe gelernt, mich zu wehren. Zu argumentieren, mich auszudrücken, Aktionen zu organisieren, sie hör- und sichtbar zu machen. Ich habe gelernt, was für eine Macht eine Organisation haben kann.
Ich konnte mein Glück kaum fassen, als die Juso mir vor drei Jahren, am 18. Juni 2016, einen Vertrauensvorschuss gegeben und mich zur Präsidentin gewählt hat.
In diesen drei Jahren ist viel passiert: Wir haben ein Referendum zur Abstimmung gebracht, den Frauen*- und den Klimastreik mitgeprägt und mit der 99%-Initiative die dritte Initiative innerhalb von 10 Jahren gesammelt. Die Initiative will, dass Kapitaleinkommen stärker besteuert werden als normale Löhne.
Am Tag, an dem wir die Initiative lanciert haben, hat ein Gewerbeverband eine Zeitung in alle Haushalte verteilt, in der stand, ich sei «geistig unterbeleuchtet», eine solche Initiative zu lancieren. Argumente dagegen hatten sie keine. Das zeigt, dass die Bürgerlichen bereits jetzt Angst haben. Angst, dass sie fertig abgezockt haben. Angst, dass der Wandel nah ist. Angst, dass die Juso diesen Wandel unerbittlich vorantreiben wird.
Ich werde nicht lügen. Ich habe in den letzten drei Jahren auch gelitten – es war nicht nur die beste Zeit meines Lebens. Zeitweise hatte ich Angst. Um meine Sicherheit und um meine psychische Gesundheit. Und ich war wütend. Weil ich mich tagelang mit irgendwelchen Idioten rumschlagen musste, statt meine Arbeit erledigen zu können. Manchmal fragte ich mich, warum ich nicht hinschmeisse. Die Antwort ist einfach: Ich glaube an die Veränderung. Daran, dass eine bessere Welt möglich ist und dass wir die Generation sind, die diese Welt gestalten kann. Doch Veränderungen brauchen Mut. Sie brauchen Ideen. Und sie brauchen Menschen. All das vereint die Juso – und das wird auch unter der neuen Präsidentin weiterleben. Und darum bleibt nicht mehr viel zu sagen ausser: danke für alles.