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Rede

Nein zum Kinderabzug-Bschiss

Redebeitrag an der überparteilichen Medienkonferenz «Nein zum Kinderabzug-Bschiss» vom 15.06.2020

Auch von meiner Seite her heisse ich sie herzlich willkommen zu dieser Medienkonferenz. Meine Vorredner*innen haben es gesagt: Von den 370 Millionen, die die Vorlage kostet, profitieren fast ausschliesslich Topverdiener-Familien. So viel Geld zum Fenster hinauszuwerfen halte ich ganz grundsätzlich für falsch. Doch angesichts der aktuellen Corona- Krise ist es nicht nur falsch, sondern sogar grob fahrlässig.

Als Co-Präsidentin der SP Frauen* stört mich an dieser Vorlage noch ein weiterer Aspekt: Gestern vor einem Jahr sind in der Schweiz eine halbe Million Frauen und solidarische Männer auf die Strasse. Das war die grösste Demonstration, die die Schweiz je erlebt hat. All diese Menschen haben unter anderem deshalb gestreikt, weil sie endlich, endlich eine progressive Familienpolitik wollen. Eine Familienpolitik, die es Familien erlaubt, Beruf und Betreuungsaufgaben nicht nur irgendwie so knapp unter einen Hut zu bringen, sondern ihnen unabhängig von ihrem Portemonnaie ermöglicht, ihren Alltag nach ihren eigenen Bedürfnissen zu gestalten.

Diese Vorlage, geschätzte Medienschaffende, bewirkt das Gegenteil. Sie gaukelt zwar vor, Familien entlasten zu wollen. Doch in Tat und Wahrheit macht sie das Gegenteil: Sie löst kein einziges Problem, das die Familien in diesem Land heute beschäftigt: Wo finden wir eine bezahlbare Wohnung? Wie organisieren wir die Kinderbetreuung? Wie bewältigen wir die steigenden Krankenkassenprämien? Statt sich diesen drängenden Fragen anzunehmen, werden die 370 Millionen völlig wirkungslos verschleudert. Wie bereits erwähnt wurde, beträgt der maximale Abzug 910 Franken. Bei einer Familie mit einem tiefen oder normalen Einkommen ist das durchaus ein relevanter Betrag. Bei Topverdiener-Familien hingegen verpufft das Geld wirkungslos – oder – um es mit den Worten meiner Fraktionskollegin Jacqueline Badran zu sagen – damit können Sie sich gerade mal ein halbes Gucci-Täschchen kaufen. Und dieses Geld, diese 370 Millionen, fehlen dann dort, wo sie eigentlich so dringend benötigt werden.

Ich möchte noch einen weiteren Punkt hervorheben: Statt zum Beispiel Kitas und damit die Gleichstellung zu fördern, zementiert die Vorlage Rollenbilder, die in die Vergangenheit angehören. Die Abzüge sind so gestaltet, dass innerhalb der Topverdiener-Familien vor allem Alleinverdiener-Ehepaare profitieren. Ich muss Ihnen nicht sagen, dass das in den allermeisten Fällen dann der Vater ist. Familien, bei denen beide Eltern arbeiten, können erst ab einem Bruttoeinkommen von 300’000 Franken den Maximalabzug geltend machen. Das ist – wie meine Vorrednerinnen und Vorredner richtig gesagt haben – nichts anderes als eine versteckte Herdprämie für Topverdienerinnen und so etwas gehört einfach nicht ins 21. Jahrhundert.

Deshalb werde ich am 27. September ein deutliches NEIN in die Urne legen und rufe alle Frauen, die so dringend auf eine progressive Familienpolitik angewiesen wären, auf, es mir gleich zu tun. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.