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Kolumne

Ins offene Messer

Wieso es sich lohnt immer wieder ins offene Messer zu laufen

Erschienen in der SonntagsZeitung vom 25.10.20

Wieso es sich lohnt immer wieder ins offene Messer zu laufen

2018 gaben weniger als 10% aller Schweizer Jugendlichen an politischen Demonstrationen teilzunehmen. Heute gibt jede*r fünfte Jugendliche an, für ein politisches Anliegen bereits einmal auf der Strasse gewesen zu sein. 

Zwischen 2018 und 2020 liegt das Aufkommen der mobilisierungskräftigsten Bewegungen, die dieses Land seit langem gesehen hat: Frauenstreik, Klimastreik und die Black Lives Matter.

Seither wird über ihren Wert, die Legitimität ihre Methoden und welche Zukunft ihnen bevorsteht, debattiert.

Doch oftmals wird ein Detail übersehen: Die Wirkung dieser Bewegungen im Kleinen.

Das neueste Beispiel: ein Porträt über Angélique Beldner, welches im Format «reporter» auf SRF1 ausgestrahlt wurde. Beldner ist die erste Schwarze News-Moderation des Schweizer Fernsehens. Über Rassismus redet sie nicht. Ihre Überlebensstrategie: Rassismus überhören oder ihn kleinreden.

Oder wie die SRF News-Moderatorin treffend kommentiert: Sie läuft ins offene Messer.

Bis sie diesen Sommer die JUSO Aktivistin Angela Addo in der «Arena» sieht. In jener «Arena», die es fertigbrachte, unter dem Titel «Jetzt reden wir Schwarzen» gerade Mal die Hälfte der Teilnehmer mit People of Color zu besetzen und meilenweit weg von einer konstruktiven Debatte über Rassismus war. Was im Anschluss berechtigt harsch kritisiert wurde. Frau Beldner hört Angela zu und merkt: Sie kann sich mit allem, was die «Black Lives Matter»-Aktivistin sagt, identifizieren. Und doch läuft Angela in dieser Arena auf. Oder wie die SRF News-Moderatorin treffend kommentiert: Sie läuft ins offene Messer.

Ins offene Messer – immer und immer wieder

Was Belder aber v.a. realisiert: Angela läuft auch für sie ins Messer. Für sie und alle anderen Schwarzen Menschen in der Schweiz. Im «reporter» sagt Belder, dass «Black Lives Matter» ihre heile Welt aus den Fugen gebracht habe.  «Auf einmal fragten mich alle nach meiner Meinung zum Thema Rassismus, und ich realisierte: Wenn alle schweigen, so wie ich, wird sich nie etwas verändern». Also redet sie. 

Das ist im Kern, um was es in sozialen Bewegungen geht. Aufreibende Arbeit leiste und sich gegen den Mainstream stellen. Scheinbar unhinterfragbare Normen und Gepflogenheiten zu hinterfragen und nicht mehr weiter dulden. Immer mit dem Ziel zu verändern. Man nimmt es in Kauf, dass man immer und immer wieder mit vollstem Wissen ins offene Messer läuft.

Das tun Aktivist*innen der Black-Lives-Matter-Bewegung, Feministinnen*, Klimaaktivist*innen, streikende Arbeiter*innen. 

Im Kampf für eine bessere Welt aber eben auch für diesen einen Moment. Der Moment, wenn der Funke überspringt und jemand plötzlich merkt, doch, das Thema geht mich etwas an: Ich werde aktiv.

Und dann noch jemand. Noch ein Jugendlicher, noch eine Hausfrau, noch ein Stromer.

Und noch eine Medienschaffende.

Sie wissen: Jeder wichtige Schritt auf dem langen Weg zu einer Gesellschaft, in der alle Menschen frei und in Würde leben können, wurde immer nur dann erreicht, wenn Menschen sich zusammenschlossen und ihre Stimme erhoben haben. 

#Aufbruch

Deswegen freut es mich auch, dass mit Mattea Meyer und Cédric Wermuth letzte Woche ein neues SP-Präsidium gewählt wurde, das sich dieser Dynamik bewusst ist. Sie verstehen, Politik passiert nicht einfach im Bundeshaus, sondern auch auf der Strasse. Sie verstehen, dass wir das Herzblut, die Ideen und den Verstand jeder einzelnen Person brauchen, bei der der Funke für eine gerechtere Welt überspringt.

Denn auch grosse Bewegungen, beginnen immer im Kleinen. Also los. 

Werde Mitglied bei der SP Schweiz – es lohnt sich: https://mitglied-werden.sp-ps.ch