Redebeitrag im Nationalrat zur Ehe für alle am 09.12.2020.
Vorab meine Interessenbindung: Ich bin stolzes Vorstandsmitglied der Lesbenorganisation Schweiz.
Wenn wir Parlamentsmitglieder am 18. Dezember nachhause gehen, haben wir hoffentlich ein Stück Geschichte geschrieben. Nach sieben langen Jahren parlamentarischer Arbeit haben wir es hoffentlich geschafft, in unseren Gesetzen ein Stück mehr Gleichstellung und ein Stück weniger Diskriminierung zu verankern. Aber die parlamentarische Arbeit ist nur die Spitze des Eisberges. Denn dieser parlamentarischen Phase ging ein jahrzehntelanger aktivistischer Kampf um Gleichstellung und Gleichberechtigung voran, ein Kampf mit dem Ziel, gleiche Rechte und gleiche Pflichten zu haben, lieben zu dürfen, wen man will, leben zu können, wie man es wünscht. Diesen Kampf haben wir als SP nicht nur mitgetragen, sondern sind dessen integraler Teil und Antrieb.
Dass wir heute hoffentlich dieses Gesetz ein letztes Mal hier beraten, dass ich heute hier stehen kann und Ihnen meine «Interessenbindungen» bekannt geben kann, haben wir Menschen zu verdanken, die, wenn sie zu ihrer Liebe standen und darum kämpften, Angst haben mussten um ihre Stelle, um ihre physische Unversehrtheit, um ihr Leben. Diesen Menschen gebührt unser Dank. Das ist der Grund zur Freude und zum Feiern. Aber – denn es gibt in der Schweizer Politik fast immer ein Aber – es gibt da noch so ein Detail. Das Detail nach dem «aber» sind in der Schweizer Politikgeschichte in der Regel die Frauen.
Frauenliebende Frauen beziehungsweise ihre Kinder werden mit der vorliegenden Vorlage nicht gleichgestellt. Denn die Kinder von Lesben erhalten nicht den gleichen Schutz wie die Kinder von heterosexuellen Paaren. Die Realität der Lesben wurde ausgeklammert, ihre Bedürfnisse wurden nicht einbezogen und auf später vertagt. Nur unter den sehr restriktiven Bedingungen der inländischen medizinischen Samenspende erhalten die Kinder von lesbischen Frauen ab dem Zeitpunkt der Geburt das Privileg von zwei Elternteilen. Das ist allerdings eine teure Angelegenheit. Darum greifen die Frauen in der Realität auf eine private Samenspende zurück. Zudem kann man damit den Kindern sogar vor dem 18. Lebensjahr einen Bezug zum biologischen Vater ermöglichen. Diese Kinder werden aber mit der heutigen Vorlage nicht gleich gut rechtlich abgesichert. Dieses «Detail» hat einen sehr grossen Einfluss auf das Leben und die Realität von lesbischen und bisexuellen Frauen. Die Vorlage verfehlt so eigentlich das Ziel der Gleichstellung, das wir uns gesetzt haben – denn knapp daneben ist eben auch vorbei.
Nichtsdestotrotz anerkennt die SP-Fraktion den wichtigen Schritt, der hier gegangen wird, und wird darum die Minderheitsanträge, die zu noch mehr Ungleichheit führen würden, ablehnen und der Vorlage selbstverständlich zustimmen. Aber wir werden Sie und die zuständige Bundesrätin beim Wort nehmen und uns weiter dafür einsetzen, dass die endgültige Gleichstellung erreicht wird – und zwar für alle.
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