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Kolumne

Jetzt muss es weitergehen

Erschienen in der Sonntagszeitung vom 5. Dezember 2021.

Das Ja zur Pflegeinitiative war wichtig, aber nur ein erster Schritt. Denn auch andere leisten zu prekären Bedingungen wertvolle Care-Arbeit: Etwa Kita-Mitarbeiter:innen.

Heute vor einer Woche hat die Schweizer Stimmbevölkerung einen historischen Schritt gewagt und klar und deutlich Ja zur Pflegeinitiative gesagt. Das war ein klares Signal ans Pflegepersonal: Wir wissen und sehen, dass ihr lebensnotwendige Aufgaben übernehmt und dass wir ohne euch aufgeschmissen wären. Dieses Signal ist natürlich auch im Kontext der Corona-Pandemie entstanden, die unser Leben seit bald zwei Jahren auf den Kopf stellt. Es ist aber auch ein Zeichen dafür, dass es einen Stimmungswandel in der Bevölkerung gibt: weg von einem sturen Glauben an neoliberale Profitmacherei und hin zu einer Gesellschaft, die Kriegsmaterialproduzenten nicht länger mehr wertschätzt als Menschen, die andere Menschen am Leben erhalten.

Oder anders gesagt: Die Schweiz hat letzten Sonntag endlich anerkannt, dass wir jahrzehntelang all jene vernachlässigt haben, die sich jeden Tag um andere Menschen kümmern. Das trifft auf Pflegefachpersonen zu – es trifft aber auch auf alle anderen Personen zu, die bezahlte oder unbezahlte Care-Arbeit leisten, die also kranke oder ältere Mitmenschen pflegen, Kinder grossziehen oder sonst in irgendeiner Form andere Menschen umsorgen.

Mit dem Ja zur Pflegeinitiative haben wir einen ersten Schritt gemacht, um dieses strukturelle Versäumnis zu korrigieren. Jetzt muss es aber weitergehen. Wir müssen uns Schritt für Schritt um weitere Bereiche kümmern, denen wir zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt haben und die für unser gesellschaftliches Zusammenleben elementar sind.

Nächste Etappe: Kita-Initiative!

Die SP wird deshalb im März eine Kita-Initiative lancieren. Bei den Kitas haben wir sogar ein doppeltes Care-Problem: Einerseits sind die Arbeitsbedingungen oft sogar noch prekärer als in der Pflege. Das Personal wird äusserst schlecht bezahlt und muss enorm viel leisten. Das müssen wir ändern. Denn genauso, wie ich will, dass ich im Spital von genügend ausgeruhtem, qualifiziertem Personal gepflegt werde, möchte ich, dass mein Kind in der Kita von genügend gut bezahltem, gut ausgebildetem Personal betreut wird.

Andererseits haben wir auch auf der anderen Seite der Medaille ein Problem: In fast keinem anderen europäischen Land müssen die Eltern so viel selbst für die familienergänzende Betreuung berappen. Das hat gravierende Auswirkungen auf das Portemonnaie von jungen Familien – häufig mit der Konsequenz, dass Mütter in einem tieferen Pensum erwerbstätig sind, als sie es gerne wären, weil die Kita-Kosten das Zusatzeinkommen wieder auffressen. Das hat wiederum üble Auswirkungen auf ihre Rente. Hier müssen wir dringend nachbessern.

Und wenn Sie jetzt innerlich kurz zusammenzucken und sich fragen, wer das alles bezahlen soll: Kinder werden schon heute betreut. Irgendjemand wird diese Kosten immer bezahlen. Die Frage ist nur, ob wir wirklich wollen, dass es das Kita-Personal und die Mütter sind, oder ob wir nicht einen solidarischeren Weg gehen wollen.

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