Erschienen in der Sonntagszeitung vom 2. Januar 2022.
Astronomie ist eine der ältesten Wissenschaften der Welt – und eine der faszinierendsten. Sie war und ist aber auch stets Abbild der herrschenden Machtverhältnisse.
Das James-Webb-Teleskop wurde am 25. Dezember mit 12 Jahren Verspätung endlich ins All geschossen.
Dank dieses Teleskops sollten wir es schaffen, neue, bessere Aufnahmen vom Universum zu erhalten. Es wird noch Monate dauern, bis wir die ersten Bilder zu sehen kriegen (wenn dann auch alles gut geht). Tausende von Menschen warten gespannt darauf – ich inbegriffen. Nicht nur, weil der Blick nach oben in die Sterne hilft, auf den Boden der Tatsachen zurückzukehren und alles in Relation zu sehen. Sondern auch, weil die Astronomie ein faszinierender Bereich der Wissenschaft ist, der den Sprung in die Popkultur geschafft hat.
Egal ob Texte, Dokumentarfilme, Podcasts zu Schwarzen Löchern und Ereignishorizonten, zu Supernovas und Gravitationswellen – für Hobbyastronominnen wie mich gibt es massenhaft Erklärungen zur Unendlichkeit, die uns umgibt. Es ist unglaublich, was man sieht, wenn man in die Sterne blickt – Millionen von Galaxien oder erdähnliche Planeten.
Noch unglaublicher sind wohl nur die physikalischen Gesetze, die sich hinter diesen Beobachtungen verstecken. Wussten Sie, dass Zeit anders verläuft auf der Erde als nahe an einem Schwarzen Loch, weil sich die Masse der Objekte unterscheidet und daher die Raumzeit anders krümmt? Danke, Einstein, hast du mich für den Rest meines Lebens verwirrt!
Doch Astronomie ist mehr als die Aneinanderreihung unglaublicher und unvorstellbarer Fakten. Sie ist eine der ältesten Wissenschaften der Welt – und war und ist stets Abbild der herrschenden Machtverhältnisse. So wurde ein Grossteil des Wissens, das die alten Griechen hatten – sie wussten zum Beispiel bereits, dass die Erde rund ist – im Mittelalter wieder «vergessen», und viele brannten im Feuer der Inquisition für die Vertretung der These, dass sie sich eben doch bewegt, die Erde, und dass sie nicht der Mittelpunkt des Universums ist.
Denn die Erde, und somit den Menschen, aus dem Zentrum des Universums zu nehmen, einen gewöhnlichen Planeten daraus zu machen, der sich um eine Sonne dreht, den es millionenfach gibt, hiess nichts anderes, als Gott überflüssig zu machen, wie Stephen Hawking in seinem berühmten Buch «Eine kurze Geschichte der Zeit» erläutert. Denn wenn wir alles wissenschaftlich und anhand von physikalischen Gesetzen erklären können – wieso braucht es dann noch einen Gott? Logisch, man kann immer noch argumentieren, dass Gott all diese Gesetze erfunden hat. Doch Sie bleibt damit eine Wahl und nicht eine Notwendigkeit zur Erklärung unserer Existenz. Somit ist unser Wissensstand heute nichts minder als der Sieg der Aufklärung über die Kirche.
Doch es ist noch lange nicht fertig mit dem Krieg der Sterne. Nach dem Wettlauf zum Mond zwischen der Sowjetunion und den USA im Kalten Krieg spricht es eben Bände über die heutigen Machtverhältnisse, wenn Multimilliardäre sich in phallusähnlichen Raketen ins All schiessen lassen oder den Mars kolonialisieren wollen.
Sollten die Sterne – und die Erde – nicht uns allen gehören? In diesem Sinne: Die Macht sei mit Ihnen.
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