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Kolumne

Kühler Kopf statt blinder Fanatismus

Erschienen in der Sonntagszeitung vom 13. März 2022.

Trotz des schrecklichen Kriegs in der Ukraine: Das Militärbudget zu erhöhen, trägt nichts zur Sicherheit der Schweiz bei. Die grösste Gefahr bleibt der Klimawandel.

Am Samstag, 26. Februar, demonstrierte ich zusammen mit 20’000 Menschen in Bern gegen den illegalen Angriffskrieg des Putin-Regimes. Rund eine Woche später sind es in Zürich 40’000 Menschen, die für Frieden auf die Strasse gehen. Die Redner:innen fordern rasche und unbürokratische Aufnahme von Flüchtenden, Solidarität mit russischen Widerständigen, humanitäre Unterstützung für die Ukraine und Sanktionen gegen Putin und Entourage. Sie sprechen sich gegen Aufrüstung aus und appellieren für die Unterzeichnung des Atomwaffenverbots.

Wer sich bei den Demonstrationen umblickt, sieht Menschen von Jung bis Alt. Sie tragen Peace-Fahnen und Friedenstauben und bekunden ihre Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung. Auch unzählige Familien mit Kindern sind an den Demonstrationen dabei. Es ist offensichtlich: Was die Menschen in der ganzen Schweiz im Wochentakt auf die Strasse treibt, ist der Wunsch nach einer friedlichen Zukunft – für uns und unsere Kinder!

Rüstungslobby greift an

Während die Bevölkerung auf der Strasse für Frieden demonstriert, nutzt die Rüstungslobby die Verunsicherung, die sich auch bei den Parlamentsmitgliedern bemerkbar macht, schamlos aus. Vertreter:innen der SVP und der FDP reichen einen Vorstoss nach dem anderen ein. Alle sprechen von einer sicherheitspolitischen Wende. Sie fordern die Aufstockung des Armeebestandes um 20’000 Dienstleistende und eine Vergrösserung des Militärbudgets auf 7 Milliarden Franken. Das ist mehr Geld pro Jahr als die Kosten aller F-35-Kampfjets zusammen. 

Auch ich schaue stündlich auf den Liveticker und frage mich pausenlos, was wir tun können, um diesem Schrecken ein Ende zu setzen.

Ausgerechnet Verteidigungsministerin Viola Amherd befeuert die realitätsfernen Aufrüstungsfantasien von rechts und fordert gerade mal eine Woche nach dem Start des russischen Angriffskriegs den Rückzug der F-35-Initiative. Dabei wäre es die Aufgabe einer Bundesrätin, die Bevölkerung zu beruhigen, statt Ängste zu schüren.

Amherds Forderung ist nicht nur demokratiepolitisch schwierig, sondern auch verantwortungslos.
Denn nach einer Begründung, inwiefern diese Massnahme die Sicherheit der Schweiz tatsächlich verbessern würde, sucht man vergebens. Sogar ETH-Militärexperte Mauro Mantovani meint, es sei unwahrscheinlicher denn je, dass die russische Armee in der Schweiz aufkreuzt. Und was die Kampfjets angeht: Sie wurden einzig und allein für Angriffskriege entwickelt, und selbst wenn Regierung und Parlament sich im Eiltempo für die Anschaffung dieser milliardenschweren Jets entscheiden, wären sie erst in fünf bis sechs Jahren einsatzbereit.

Frieden ist kein Auslaufmodell

Ich verstehe die Verunsicherung und Angst allzu gut, die aktuell innerhalb und ausserhalb des Bundeshauses spürbar ist. Auch ich schaue stündlich auf den Liveticker und frage mich pausenlos, was wir tun können, um diesem Schrecken ein Ende zu setzen. Was ich weiss: Weder 2 Milliarden mehr fürs Militär noch 20’000 zusätzliche Dienstleistende und 36 Tarnkappenbomber erhöhen aktuell die Sicherheit in der Schweiz.

Um die aktuelle Sicherheitslage in der Schweiz zu verbessern, braucht es eine gute, umfassende Analyse. Diese ergibt, dass die wichtigste Bedrohung in den nächsten Jahren und Jahrzehnten der Klimawandel sein wird. Die häufigste Todesursache sind Krankheiten. Gewalt gibt es vor allem in den eigenen vier Wänden. Da müssen wir ansetzen, statt das Militärbudget nun unbedacht und in blindem Aktivismus oder gar Fanatismus in die Höhe treiben zu wollen.

Frieden ist kein Auslaufmodell, wie das meine geschätzte Genossin Priska Seiler Graf diese Woche im Nationalrat gesagt hat. Kühlen Kopf bewahren, heisst die Devise.

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