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Kolumne

Empören Sie sich!

Erschienen in der Sonntagszeitung vom 4. September 2022.

Es läuft vieles schief – in unserem Land und auf der Welt insgesamt. Aber es gibt eine Zukunft, für die es sich zu kämpfen lohnt.

Geschätzte Leser:innen

Seit 4 Jahren schreibe ich für diese Zeitung. Ein bisschen abrupt geht diese Zeit nun zu Ende.

Zuallererst möchte ich mich bei Ihnen bedanken – Dutzende, manchmal sogar Hunderte Ihrer Reaktionen erhielt ich jeweils auf meine Kolumne. Manche unterstützend, manche kritisch. Doch in den meisten Fällen konstruktiv und bereichernd. Danke für diese Inputs und Rückmeldungen, sie machen meine Arbeit nicht nur spannender, sie sind unabdingbar, um sie gut zu machen – bitte machen Sie weiter damit: tamara@tamarafuniciello.ch.

In meiner ersten Kolumne schrieb ich: «Ich bin ja nicht da, um mir Sympathie zu holen – sondern um zu sagen, was ist.» Denn zu sagen, was ist, bleibt die revolutionärste Tat, so Rosa Luxemburg. Dies habe ich hier stets versucht.

Wir leben in einem rechtsbürgerlichen Land. Einem Land, das über 100 Jahre lang nur von Männern regiert wurde. Wir revidieren Gesetze, die von Grund auf von weissen hetero cis Männern für weisse hetero cis Männer geschaffen wurden – und die können noch so beleidigt sein, wenn das gesagt wird, aber es ist Fakt.

Wir leben in einem Land, in dem heute 25 Prozent kein Stimm- und Wahlrecht haben, obwohl sie hier wohnen. In einem Land, in dem Geflüchtete seit Jahren mit 10 Stutz am Tag leben müssen – was den meisten von uns erst in den letzten Monaten bewusst wurde.

Wir leben in einem Land, in dem der Reichtum so krass unterschiedlich verteilt ist, man kann es kaum in einer Grafik zusammenfassen. In einem Land, in dem Multimillionäre am Redner:innenpult des Nationalrats eiskalt ihre Interessen vertreten – um dann ihren Putzfrauen zu sagen, sie sollen gefälligst ein Jahr länger arbeiten.

Eine andere Welt muss möglich sein – denn diese hier funktioniert nicht. Dies anzuerkennen, ist der erste Schritt, um sie zu verändern.

Wir leben in einer Welt, die wir gerade mit 180 km/h an die Wand fahren. Eiskappen schmelzen… und wir verbieten Plastiktrinkhalme. Wir leben in einer Welt, die noch nie so viele Sklaven und sklavenähnliche Arbeitsbedingungen gesehen hat. Doch den Kapitalismus zu kritisieren, kommt Blasphemie gleich.

Wir leben in einer Welt, in der eine der häufigsten Todesursachen von Frauen Männergewalt ist. Doch das grösste Problem sind angeblich Linke, die gendern.

Wir müssen stets aufpassen, dass wir im Kleinen des Alltags und der Politik das Grosse und Ganze nicht aus den Augen verlieren. Eine andere Welt ist möglich. Eine andere Welt muss möglich sein – denn diese hier funktioniert nicht. Dies anzuerkennen, ist der erste Schritt, um sie zu verändern.

Meine letzte Bitte als Kolumnistin für diese Zeitung lautet daher: Schauen Sie hin, empören Sie sich, über das, was falsch läuft, träumen Sie von einer besseren Zukunft für alle, denn in einem System, das uns jeden Tag sagt, man könne nichts verändern, ist bereits der Glaube an Veränderung Widerstand.

Und dann, kämpfen Sie um diese bessere Zukunft – sie ist es wert.

Venceremos! Dankeschön.

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