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Rede

Statistische Erfassung von Femiziden

Redebeitrag im Nationalrat zur statistischen Erfassung von Femiziden am 2. Juni 2021.

Die Webseite «stoppfemizid.ch» versucht, aufgrund von Berichterstattungen Femizide in der Schweiz festzuhalten. Stand heute sind es dieses Jahr 13 Femizide, die wir zu beklagen haben – 13 Femizide. Anfang Jahr berichteten Schweizer Medien, dass es doppelt so viele Frauenmorde gegeben hat wie letztes Jahr. Denn trotz der Warnungen der Opferhilfestellen haben weder Bund noch Kantone genügend unternommen, um Gewalt gegen Frauen während, aber auch nach der Corona-Pandemie einzudämmen. Für diese 13 Frauen ist es nun zu spät.

Die vorliegenden Minderheitsanträge wollen, dass Femizide, also Tötungen von Frauen und Mädchen durch Männer aufgrund ihres Geschlechts, zumindest statistisch erfasst und auch als solche benannt werden. Dies aus mehreren Gründen:

  1. Sprache ist Macht, und Sprache schafft Realitäten. Heute wird gerade in den Medien zu häufig von «Familiendramen» gesprochen, wenn es sich um Femizide handelt. Wenn wir den Begriff in unser Strafgesetzbuch aufnehmen, haben wir einen korrekten Begriff, um diese spezifische Konstellation von Morden richtig zu benennen. Solche Morde haben nichts mit Liebe und nichts mit Drama zu tun, sondern mit Hass und Gewalt. Das sollten wir auch so benennen.
  2. Wir haben ein Problem mit unserer Statistik. Heute wird in der Kriminalstatistik nur ein Teil der Femizide erfasst, nämlich jene, die im häuslichen Rahmen stattfinden. Solche, die von Verwandten oder Expartnern begangen werden, bei denen kein häuslicher Kontext besteht, werden nicht erfasst. Das gilt auch bei Tötungen durch Unbekannte aufgrund von Hass auf Frauen, also Misogynie. Frauenhass gehört in unser Strafrecht, denn es ist ein Motiv für Gewalt. Je schneller wir das erkennen, desto besser können wir endlich handeln.
  3. Die Istanbul-Konvention, die wir ratifiziert haben, verlangt, dass Femizide nicht weniger hart bestraft werden als andere Tötungsdelikte.

Aus der Beantwortung der Interpellation Funiciello 21.3302 geht aber hervor, dass es heute nicht möglich ist zu verifizieren, ob dies nun der Fall ist oder nicht. Wenn wir aber Femizide systematisch weniger hart bestrafen würden als andere Tötungsdelikte, wäre das problematisch. Es besteht der Verdacht, dass Femizide als Verbrechen aus Leidenschaft, wie es zum Beispiel auch im französischen Text genannt wird, abgetan werden und die Täter somit weniger hart bestraft werden. Ob sich dieser Verdacht erhärtet, können wir nicht sagen, weil wir die Zahlen nicht haben, wie es der Bundesrat selbst zugibt. Das müssen wir ändern.

Femizide, Frauenhass, strukturelle Gewalt sind eine Realität in dieser Gesellschaft. Je eher wir das erkennen, je eher wir das in unseren Gesetzen verankern, desto mehr Leid können wir verhindern. Jeder Femizid, jeder Fall von häuslicher Gewalt, jede sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum fusst auf der strukturellen Diskriminierung von Frauen in dieser Gesellschaft. Somit bedeutet jeder Fall von Gewalt an Frauen ein Versagen der gesamten Gesellschaft und somit auch des Staates, indem wir es nicht schaffen, Frauen vor dieser Gewalt zu schützen.

Wir können uns ja einmal überlegen, ob es nicht sinnvoller wäre, ein bisschen weniger Energie in Durchsuchungen bei 18-jährigen Klimaaktivistinnen zu investieren und ein bisschen mehr in den Kampf gegen Frauenhass. Manche Leute finden diese Haltung extrem. Nun, ich bitte Sie heute um nichts Geringeres, als gemeinsam mit mir für die Frauen in diesem Land ein bisschen extrem zu sein.

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