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Kolumne

Lassen Sie uns mal über Geld reden

Kolumne erschienen in der SonntagsZeitung vom 1.08.2021.

Viele, die hart arbeiten, kommen kaum über die Runden. Andere werden reich, einfach, weil sie schon Geld haben. Diese Ungerechtigkeit müssen wir stoppen.
  • Der Mindestlohn eines Gärtners EFZ beträgt 4450 Franken pro Monat.
  • Der Lohn einer Kassierin beträgt in etwa 3800 Franken.
  • Der Mindestlohn einer Fachangestellten Gesundheit ca. 4385 Franken.
  • Der eines Oberarztes im Kanton Zürich 10’073 Franken.
  • In der MEM-Industrie sind es etwa 3370 Franken.
  • Der Lohn einer Mutter ist Luft und Liebe.
  • Der Lohn einer Nationalrätin beträgt übrigens inkl. aller Spesen ca. 9590 Franken – so ersparen wir uns alle ein paar Mails.

Das sind die Beträge, mit denen Büezer:innen auskommen müssen in der Schweiz. Das ist die Realität der Menschen in diesem Land, die Tag für Tag arbeiten gehen und Reichtum erwirtschaften. Mit diesen Löhnen müssen sie Mieten, Krankenkassen, Mobilität, Nahrung, Zahnarztrechnungen für die Kinder bezahlen. Über 1 Million Menschen in der Schweiz sind armutsgefährdet.

Gleichzeitig solche Zahlen: Die reichsten 300 Personen in der Schweiz besassen 2009 ein Vermögen von rund 450 Milliarden Franken. 2020 waren es laut dem Magazin «Bilanz» bereits mehr als 707 Milliarden. Geld, das sie vor allem erhalten haben, weil sie schon Geld besitzen, sprich: Gewinne aus Zinsen, Dividenden und Kapitalgewinne.

Aber die Spitze der Perversion ist nicht einmal der Umstand, dass Menschen, die für ihr Geld arbeiten, kaum über die Runden kommen, und Menschen einfach reich werden, weil sie schon Geld haben. Die Spitze der Perversion ist das Steuersystem. Denn das heutige Recht sagt: Der Büezer der Ems-Chemie, der 68’000 Franken verdient, muss den ganzen Betrag versteuern. Die Aktionärinnen, die 2019 satte 467 Millionen erhalten haben, müssen nur rund 70% versteuern.

Oder anders ausgedrückt: Wenn Sie 100’000 Franken Lohn erhalten, versteuern Sie auch 100’000 Franken. Wenn Sie 100’000 Franken Dividenden erhalten und Sie mehr als 10% einer Firma besitzen, versteuern Sie gerade mal 70’000 Franken. Und, noch besser: Wenn Sie 100’000 Franken Kapitalgewinne erhalten, versteuern Sie nichts.

Kein Wunder, konzentriert sich das Vermögen in diesem Land auf immer weniger Menschen. Denn unser Steuersystem sagt: Wer hat, dem wird gegeben.

Genau da setzt die 99%-Initiative an. Wir wollen nichts anderes, als dieses System vom Kopf auf die Füsse stellen. Kapitaleinkommen ab einem gewissen Betrag soll höher besteuert werden als Lohn und Rente. Nicht mehr und nicht weniger. Wir wollen bei denen ansetzen, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten massiv Kapital angehäuft haben.

Bevor Sie abstimmen

Ich mache mir keine Illusionen. Ich weiss, dass die Initiative mit scheinheiligen Argumenten bekämpft werden wird. Doch bitte beantworten Sie, bevor sie abstimmen, folgende Fragen:

  • Kann es sein, dass die Reichen immer reicher werden und gleichzeitig Leute in diesem Land nicht über die Runden kommen?
  • Kann es sein, dass der Lohn von Beschäftigten sinkt, während die Dividenden steigen?
  • Kann es sein, dass wir im Kanton Luzern die Schulen eine Woche länger schliessen mussten, weil man angeblich kein Geld mehr für Bildung hat?

Es läuft doch einfach etwas falsch, wenn die 300 Reichsten 2019 um 27 Milliarden Franken reicher wurden und man uns, denn 99% der Menschen, gleichzeitig sagt, man könne sich die AHV, die EL und die Krankenkassenverbilligungen nicht mehr leisten, weil angeblich das Geld fehle.

Es ist nicht das Geld, das fehlt. Was fehlt, ist der politische Wille, Gerechtigkeit zu schaffen.

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